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Zusätzlich haben wir für Sie den Abend auf unserer Galerieseite in Bildern zusammengefasst.
"Der Jude mit dem Hakenkreuz"
Lesung und Gespräch mit dem Autor des Buches
Lorenz S. Beckhardt
Bewegend schildert Lorenz S. Beckhardt die Schicksale seiner Verwandten und die eigene Selbstfindung, die Folgen von Schweigen und Verdrängen, den schweren Neubeginn in der alten Heimat, in der die Familie alltägliche Demütigungen durch Nachbarn und deren oftmals ablehnende Haltung bis hin zum Boykott des Geschäftes erdulden muss.
Sein Großvater, der Wiesbadener Kaufmann Fritz Beckhardt, war aus dem Ersten Weltkrieg als höchst dekorierter deutscher Jude zurückgekehrt. Nach 1933 wegen sog. "Rassenschande" inhaftiert, kam er mit Hilfe seines ehemaligen Geschwaderkameraden Hermann Göring aus Buchenwald frei. Die Familie geht ins Exil nach England. Andere Verwandte werden deportiert und ermordet.
Nach dem Krieg versucht die Familie, wieder in Sonnenberg zu leben.
Die 50er-Jahre in Sonnenberg waren hart für die Beckhardts. „Wir konnten nur äußerst schwer wieder Fuß fassen und unser altes Geschäft betreiben“, sagt Kurt Beckhardt. Die Bewohner des Ortes raunten sich zu: „Das sind die Juden, die sind wiedergekommen.“ Viele wollten mit ihnen nichts zu tun haben; die einen, weil sie immer noch von der Goebbels-Propaganda geprägt waren, die anderen, weil sie sich genierten: Um Gottes Willen, wie treten wir diesen Leuten unter die Augen? „Ich merkte“, sagt Kurt Beckhardt, „dass ich als Jude nicht überall gut ankam.“ Er spricht langsam und wägt jedes Wort genau ab. „Immer wenn sich herausstellte, dass ich Jude bin, musste ich mich erklären.“ Lernte er ein Mädchen kennen, lief es nur so lange gut, bis er ihr erzählte, dass er jüdisch ist. Als er zu seinem 30. Geburtstag immer noch keine Braut nach Hause geführt hat, schaltet seine Mutter einen Schadchen ein. Die Vermittlung glückt, und 1960 heiratet das junge jüdische Paar. In einer Kirche, denn Kurts Frau ist getauft. Ihre Familie verdankt katholischen Christen ihre Rettung. Auf Wunsch der Schwiegermutter konvertiert auch Kurt, und als Lorenz zwei Jahre später geboren wird, lassen sie ihn taufen. „Es war damals in unserer Umgebung ein absoluter Vorteil, katholisch zu sein“, sagt Kurt Beckhardt. „Zumindest war es nicht zu empfehlen, Jude zu sein.“ Er stockt, schluckt und blickt zu seinem Sohn. „Jedenfalls war es in Sonnenberg so.“
Von all dem hat Lorenz Beckhardt erst spät erfahren. Und auch nur, weil er hartnäckig nachfragte.
Über den Autor
Der 1961 in Wiesbaden geborene Diplom-Chemiker und Journalist war ab 1993 als Autor und Redakteur für das ARD-Morgenmagazin sowie als Auslandsreporter in Europa und im Nahen Osten tätig. Seit 2005 ist er verantwortlicher Redakteur und Autor der Wissenschaftsmagazine »Quarks und Co« (WDR) sowie »nanu« (3sat). Sein 2007 vom WDR produzierter Dokumentarfilm »Der Jude mit dem Hakenkreuz« über seinen Großvater stieß bei der Präsentation durch die Caligari FilmBühne wie auch andernorts auf ein außerordentlich starkes Interesse.
Einlass ab 18:00 Uh
Eintritt frei!
Es moderiert Andreas Dickerboom vom Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie“
Die Veranstaltung wird unterstützt von der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung